- Indianer Süd- und Mittelamerikas in der Kolonialzeit: Unterdrückung und Selbstbehauptung
- Indianer Süd- und Mittelamerikas in der Kolonialzeit: Unterdrückung und SelbstbehauptungDie Geschichte der indianischen Völker nach 1492 ist ein Politikum ersten Ranges. Noch in Erinnerung sind Protestresolutionen, mit denen die autochthonen Völker Amerikas 1992 des Kolumbusjahres gedachten und in denen sie das Jahr der ersten Begegnung mit den Europäern als Beginn einer fünfhundert Jahre währenden Unterdrückung geißelten. Im Zentrum der Kritik standen der von den Europäern an den Amerikanern begangene Völkermord, die Ausbeutung und die Vertreibung der Ureinwohner.So grausam und schmerzhaft die historische Entwicklung der letzten fünf Jahrhunderte für die amerikanischen Völker war, so kann sich eine Aufarbeitung der Vergangenheit nicht allein mit den Kategorien von Unterdrückung und Völkermord begnügen. Willkür, Ausbeutung und Zwangsarbeit stellen nur die eine Seite, die des »Kulturkonflikts«, dar. Auf der anderen Seite ergaben sich, in einer Art »Kulturtransfer«, vielfältige Neuerungen auch für die indianischen Kulturen und — trotz der traumatischen Eroberung — die Chance des Weiterlebens. Dass die europäische Landnahme nicht immer mit der vollkommenen physischen und kulturellen Vernichtung der indianischen Völker einherging, zeigt der heute hohe Anteil der Indianer in Zentralamerika und einigen Andenstaaten (Ecuador, Peru, Bolivien).Unterschiedliche Intensität der europäischen HerrschaftDie weitaus meisten amerikanischen Ureinwohner lebten nach der europäischen Landnahme unter spanischer Herrschaft, deren Intensität unterschiedlich war. Am stärksten spürbar war der europäische Zugriff in den hoch gelegenen Bergregionen, in denen vor 1492 die Hochkulturen beheimatet gewesen waren. Dies gilt für das Hochland von Mexiko, den Westen des Landes und den Süden bis hin zum heutigen Chiapas und Yucatán, wo die Azteken ihr Herrschafts- und Einflussgebiet hatten. Ferner gehörte die Kordillerenkette der Anden, in der das Reich der Inka beheimatet war, zu den wichtigen vorkolumbischen Kernsiedlungszonen, in denen sich seit dem 16. Jahrhundert auch die Spanier niederließen. Die dort lebenden indianischen Völker waren an komplexe Herrschaftsstrukturen gewöhnt. Entsprechend reibungslos wurden sie in die Vizekönigreiche Neu-Spanien und Peru eingegliedert. Da die Spanier hier die Nachfolge der indianischen Herrscher antraten und sich zum großen Teil auf deren Infrastruktur verließen, bereitete die Anerkennung der europäischen Herrschaft durch diese Völker kaum Schwierigkeiten.Dagegen wurden die indianischen Völker der semiariden (mitteltrockenen) Zonen Nordmexikos und des heutigen Westens der USA, auf die die spanische Krone ebenfalls Anspruch erhob, kaum von der europäischen Herrschaft berührt. Dasselbe galt auch für die Ethnien des portugiesischen Brasilien. Die brasilianischen Tupí- Stämme der Küstenzone versuchten, sich vor dem Zugriff der Portugiesen an der Atlantikküste ins Landesinnere zurückzuziehen. Gänzlich von den Europäern isoliert blieben aber auch sie nicht. Portugiesen, Spanier, Engländer und Holländer befuhren auf Erkundungs- und Handelsfahrten den Amazonas. Auch Geistliche, vor allem jesuitische oder franziskanische Missionare, wagten sich in die für Europäer unwirtlichen Zonen vor.Die hohe Sterblichkeit der autochthonen Bevölkerung, die in der Eroberungsphase offenkundig wurde, stellte noch gut einhundert Jahre lang ein drängendes Problem dar. Bekanntermaßen waren für die Niederlage der Azteken und Inka nicht die Truppenstärke der Spanier oder indianischer Hilfskontingente ausschlaggebend gewesen, sondern eine rasche Dezimierung der indianischen Völker durch Krankheitserreger aus der Alten Welt: Die autochthone Bevölkerung verfügte nicht über die nötigen Abwehrkräfte, um den von den Europäern eingeschleppten Bakterien und Viren Widerstand leisten zu können.Der dramatische Bevölkerungsrückgang hielt auch nach der Eroberung Mexikos (1521) bzw. Perus (1535) an. Gut eine Generation nach der Eroberung lebte nach neuesten Schätzungen in Mittelamerika nur noch gut die Hälfte der Einwohner des Jahres 1520. Erst gegen 1620, also gut drei Generationen nach der Landnahme, war der Tiefpunkt erreicht. Die Einwohnerzahl Mittel- und Südamerikas hatte sich bei etwa zehn Prozent des Wertes stabilisiert, der zur Zeit der Eroberung bestanden hatte. Im Laufe der Kolonialzeit bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Menschen dann wieder kontinuierlich an.Doch trotz dieser demographischen Erholung hatte die europäische Landnahme mit ihrem Zustrom spanischer und portugiesischer Einwanderer und der Zwangsansiedlung afrikanischer Sklaven die rassische Zusammensetzung nachhaltig verändert. Auch wenn die indianische Bevölkerung seit dem 17. Jahrhundert wieder zunahm, ihr prozentualer Anteil ging doch immer mehr zurück.Besondere Bedeutung erlangte der mestizische Bevölkerungsanteil. Indianische Frauen gingen oft eine Verbindung mit einem Europäer ein, die nicht immer kirchlich sanktioniert war (Konkubinat). So entstand eine neue Schicht, die Mestizen. Sie stellen heute das in vielen Ländern Lateinamerikas weitaus größte Bevölkerungssegment dar.Die hohe Sterblichkeit, für die die spanischen Kolonialbehörden und die königlichen Ratskollegien im Mutterland keine Erklärung hatten, ließ die Kolonialmacht keineswegs unberührt. Man glaubte ihr u. a. dadurch begegnen zu können, dass man die spanischen Siedler von der indianischen Bevölkerung fern hielt. Für die indianischen Gemeinschaften in den Hochlandzonen Mexikos und des Andenraums bedeutete dies eine Anpassung an neue Siedlungsstrukturen. Die weit verstreuten Siedlungen sollten mit dem Ziel der besse- ren Kontrolle zu neuen Dörfern (reducciones) zusammengefasst werden.IndianerschutzpolitikHinsichtlich der Verwaltung und politischen Kontrolle übernahm die spanische Bürokratie nach Möglichkeit die vorkolumbischen Strukturen. Der spanische König beließ den indianischen Adligen ihren herausgehobenen sozialen Status. Sie wurden nun dem niederen Adel Spaniens (hidalgos) gleichgestellt. In neu geschaffenen Dörfern fungierten die indianischen Adligen als Delegierte der Krone und vertraten das Dorf nach außen. Je nach Größe und Bedeutung war die Indianersiedlung mit einer unterschiedlich hohen Zahl von Stadträten und kommunalen Beamten ausgestattet. Aus der vorkolumbischen Vergangenheit überlebte eine Reihe von Ämtern und Institutionen. Die Tatsache, dass die indianische Bevölkerung auf lokaler Ebene Selbstverwaltung genoss, schuf jedoch nicht geringe Probleme innerhalb der Indianergemeinden. Mit der Einsetzung indianischer Funktionsträger bewirkten die spanischen Kolonialherren eine weitere soziale Differenzierung. Nicht selten kam es daher zu Konflikten zwischen indianischen Adligen und der Dorfgemeinschaft.Nicht immer eingehalten wurde die Bestimmung, wonach man zum Schutz der indianischen Bevölkerung die Spanier aus deren Siedlungen fern halten sollte. Während in Zentralamerika und im andinen Raum diese Vorschrift weitgehend befolgt wurde, galt dies nicht für das dicht besiedelte und wirtschaftlich wichtige Hochland von Mexiko und die städtischen Zentren Hispanoamerikas. Dort kam es zu einem intensiven Zusammenleben der indianischen, mestizischen und spanischen Bevölkerung.Indianische Zwangsarbeit: Die MitaKaum eine andere koloniale Institution hat das Bild spanischer Herrschaft so nachhaltig verdüstert wie der indianische Arbeitsdienst in den Silberminen des Vizekönigreiches Peru. In Potosí (Bolivien) waren die indianischen Männer zur Arbeit in den Bergwerken verpflichtet. Förderte man anfangs das Silber noch mit freiwilligen indianischen Arbeitskräften, die sogar am Gewinn beteiligt wurden, so verschärften sich seit den 1570er-Jahren die Bedingungen. Unter Rückgriff auf das indianische Zwangsarbeitssystem der mita wurde nunmehr eine Arbeitspflicht verfügt. Aus dem Umkreis von 16 Provinzen wurde die männliche Bevölkerung im Alter von 18 bis 50 Jahren (mitayos) zwangsrekrutiert. Zwar sahen die Gesetze Schutzbestimmungen vor, doch wurden diese nicht eingehalten. Auch zwang man die indianischen Bergleute, unter Tage zu übernachten. Als Folge versuchten viele Indios, sich der Zwangsarbeit zu entziehen. Die adligen Dorfvorsteher bemühten sich ihrerseits nach Kräften, die Abstellung von Arbeitskontingenten zu umgehen. Die allgemeine indianische Sterblichkeit trug ebenfalls dazu bei, dass die Zahl der rekrutierfähigen mitayos im Laufe des 17. Jahrhunderts immer weiter zurückging. Der sich daraus ergebende beständige Mangel an Arbeitskräften führte zu einer weiteren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.Integration in das koloniale WirtschaftssystemDass die Arbeit in den amerikanischen Edelmetallzentren keineswegs immer Zwangscharakter hatte, zeigen die Arbeitsverhältnisse in der zweiten großen, Silber produzierenden Region Lateinamerikas, im nördlichen Mexiko. Das Gebiet von Zacatecas, etwa 600 km von Mexiko-Stadt entfernt und in 2500 m Höhe gelegen, lag außerhalb der in vorspanischer Zeit dauerhaft besiedelten Zone. In dieser Region hatten die nomadisierenden Chichimekenvölker, die seit dem 7./8. Jahrhundert in das zentralmexikanische Hochland eingewandert waren, ihren Lebensraum. Da diese Ethnien nicht zur Arbeit rekrutiert werden konnten, warben die Spanier freiwillige Arbeitskräfte aus dem Hochland Zentralmexikos an. Insbesondere die Tlaxcalteken machten sich auf den Weg in den Norden des Vizekönigreiches, um sich dort als freiwillige Arbeitskräfte niederzulassen. Freie Lohnarbeit mit Gewinnbeteiligung bestimmte ebenfalls die Beschäftigungsverhältnisse im mexikanischen Guanajuato, das im 18. Jahrhundert Zacatecas als Zentrum der Edelmetallproduktion ablöste.Auch in anderen Wirtschaftsbereichen und Regionen waren die indianischen Gemeinden und Arbeitskräfte auf freiwilliger Basis in den Handel integriert. So stellten sie in Mexiko und Zentralamerika mit der rot färbenden Koschinelle, dem Farbstoff einer Kaktuslaus, und mit dem blau färbenden Indigo zwei wichtige Rohstoffe für die europäische Textilproduktion her. Einen weiteren bedeutenden Wirtschaftssektor in indianischer Hand stellte die südmexikanische Kakaogewinnung dar. Im heutigen Ecuador bestand ein wichtiges Zentrum der Textilproduktion, wo Stoffe in indianischer Heimarbeit hergestellt wurden. Daneben war in den entstehenden Manufakturen überwiegend indianisches Personal in freier Lohnarbeit tätig.Die indianische Heimarbeit gestaltete sich indes nicht konfliktfrei. In einer Art Verlagssystem (repartimiento) taten sich ein Unternehmer und ein königlicher Beamter zusammen und stellten der Landbevölkerung die nötigen Rohstoffe, Arbeitsmittel oder auch Bargeld zur Verfügung. Bei der Übergabe der in Heimarbeit erzeugten Waren kam es dann häufig zu Auseinandersetzungen über die Preise, die Verrechnung der Arbeitsmittel und des Vorschusses. Das Verlagssystem bildete in der gesamten Kolonialzeit einen beständigen Unruheherd. Forschungen haben jedoch gezeigt, dass die indianischen Kläger keineswegs immer so mittellos waren, wie sie sich gerne gegenüber der Krone darstellten. Entgegen dem verbreiteten Bild vom landhungrigen Spanier oder Portugiesen, der der einheimischen Bevölkerung das gesamte Land wegnahm, konnten die indianischen Gemeinden einen großen Teil ihrer Anbauflächen in der Kolonialzeit erfolgreich behaupten.Übernahme europäischer KulturelementeIndianische Arbeitskräfte, die freiwillig in den Bergwerken Mexikos arbeiteten oder Rohstoffe und Textilien für den überlokalen Markt produzierten, zeigen, wie stark sich viele Nachfahren der autochthonen Bevölkerung in das Kolonialsystem integriert hatten. Doch finden sich weitere Akkulturationsprozesse, d. h. Vorgänge, bei denen kulturelle Elemente der Alten Welt in die indianische Kultur einbezogen wurden. Hier sind vor allem Gegenstände des täglichen Gebrauchs zu nennen. Besonders im Bereich der Landwirtschaft ergaben sich Veränderungen. So freundeten sich die indianischen Gemeinden mit der Viehzucht an, die sie anfangs vehement abgelehnt hatten, da die Viehweiden ihre Anbauflächen einschränkten. Die vorkolumbischen Kulturen hatten — mit Ausnahme des Lamas im Andenraum — keine Zug- und Lasttiere gekannt. Das Rad und den Wagen lernten die Ureinwohner gleichfalls erst über die Spanier und Portugiesen kennen. Güter wurden von Trägern geschleppt. Zwar gab es menschliche Lastträger auch nach der Einführung des Pferdes und Maultieres, doch erwuchs den Lastträgern durch diese Tiere und den Karrentransport eine Konkurrenz. Wie sehr sich die autochthone Bevölkerung an die europäische Fauna gewöhnt hatte, zeigt die Tatsache, dass indianische Schafzüchter das mexikanische Textilzentrum Puebla mit Wolle belieferten. Auf dem Speisezettel bekam der einheimische Truthahn Konkurrenz durch die eurasische Henne. Schweinefleisch kam ebenfalls auf den Tisch der indianischen Bevölkerung. In puncto Getreide blieb jedoch der Mais bestimmend, was gelegentlich zu Mangelerscheinungen führte. Er bildete zusammen mit Bohnen und Chili die Hauptnahrungsquelle. Hingegen kleidete sich die indianische Bevölkerung zunehmend in europäische Stoffe.Missionierung: Erfolg oder Misserfolg?Die Reglementierung des sozialen und politischen Lebens durch die Kolonialverwaltung und das Heranziehen zu Arbeitsleistungen stellen nur die eine Seite der europäischen Herrschaft dar. Von Anfang an war es das Ziel der Spanier und Portugiesen, auch das religiöse Leben zu kontrollieren. So vernichteten die Kolonialherren die alten Kultstätten. In Massentaufen versuchten z. B. die Franziskaner, das Seelenheil der Indios zu »retten«. Scheinbar sicherster Beweis der Missionierung war die große Beliebtheit von Bruderschaften und frommen Stiftungen. Überall in Lateinamerika formierten sich Dorfgemeinden und Bewohner der Städte zu religiösen Bruderschaften. Geleitet wurden diese Bruderschaften, die vornehmlich dem Marienkult oder der Verehrung eines Heiligen dienten, häufig vom Dorfgeistlichen. Diese Institutionen hatten nicht nur religiöse Funktionen. Sie verfügten in der Regel über umfangreichen Besitz, wozu neben Ackerflächen auch Tiere oder Mühlen gehörten. Diese Güter gaben sie untereinander aus bzw. nutzten sie gemeinschaftlich. Da häufig die gesamte Dorfgemeinschaft Mitglied der Bruderschaft war, verquickten sich somit Kirchen- und Dorfgemeinde auf unauflösliche Weise. Ausdruck des mitunter beträchtlichen Wohlstandes waren oft erhebliche Geldsummen in den Dorfkassen.Doch trotz der Zerstörung der indianischen Tempel bzw. des Verbots, an bestimmten Plätzen in der Natur den alten Göttern zu opfern, überlebten wesentliche Elemente der indianischen Religionen. Die franziskanischen Massentaufen hatten eine nur oberflächliche Wirkung. Zwar bemühten sich die Missionare, anstelle der vielen indianischen Gottheiten den Monotheismus zu setzen, doch letztlich kam es zu einer synkretistischen Verschmelzung von christlichem Gott und indianischer Religiosität. Noch heute ist augenfällig, wie wenig Erfolg den Bemühungen der Missionare beschieden war. Der Widerstand gegen die christliche Religion ging vor allem von alten Priestern aus, die ihr Wissen an die jüngeren weitergaben. Mit dem Ende der demographischen Katastrophe in den 1620er- und 1630er- Jahren erlebte die indianische Religion — und mit ihr das kulturelle Selbstverständnis der indianischen Ethnien — eine Renaissance. Im Laufe der Zeit verschmolzen in einigen Regionen altindianische Religionen mit katholischen Glaubenssätzen zu einem synkretistischen Volksglauben. Die Indianer — und später vor allem die Afrikaner — begegneten der ihnen aufgezwungenen Religion mit einer »Umkodierung«, schufen also auch in diesem Sektor etwas Eigenständiges und Neues.Indianischer WiderstandManifesten Widerstand gegen die spanische Herrschaft leisteten nur die Völker in den Randzonen. Im Norden Mexikos setzten die Chichimeken dem spanischen Bergbauzentrum um Zacatecas wiederholte Male massiv zu. Vor etwaigen Verfolgungen wichen die nomadisierenden Völker meist in die semiariden Zonen des heutigen Nordmexiko und der USA aus. Endgültig konnten die dort lebenden Ethnien erst im 19. Jahrhundert besiegt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es also — wie in Nordamerika — in einzelnen Regionen eine »Indianergrenze«. Im Süden des heutigen Chile wehrten sich z. B. die Mapuche (Araukaner) gegen die spanischen Herrschaftsansprüche. Sie machten sich dabei vor allem das Pferd zunutze und leisteten den spanischen Truppen erbitterten Widerstand. Beständigen Nadelstichen sah sich die Kolonialmacht auch vonseiten der Chiriguano ausgesetzt, die im östlichen Grenzgebiet des Vizekönigreiches Peru lebten.Gegen Ende der Kolonialzeit nahmen die Spannungen zwischen den indianischen Gemeinden und den umliegenden spanisch und mestizisch geprägten Ortschaften deutlich zu. Vor dem Hintergrund eines demographischen Zuwachses mehrten sich die Konflikte zwischen indianischen Bauern und in der Regel weißen Großgrundbesitzern um bebaubare Agrarflächen. Immer häufiger riefen die indianischen Gemeinden den Vizekönig und den obersten Gerichtshof an, wobei viele der Klagen zugunsten der indianischen Bauern entschieden wurden.Der wohl spektakulärste Aufstand gegen den seit den 1760er-Jahren wachsenden Steuerdruck durch die spanischen Kolonialherren entwickelte sich im Hochland von Peru und Bolivien. Tupac Amaru, ein indianischer Maultierunternehmer und Abkömmling der alten Inkadynastie, versuchte die indianische Bevölkerung zum Aufstand gegen die Spanier zu bewegen (1780—82). Dabei griff er bewusst auf inkaische Symbole zurück. Die Bevölkerung folgte dem Aufruf Tupac Amarus nur zum Teil. Rivalitäten zwischen den verschiedenen Ethnien und zwischen den einzelnen Dörfern verhinderten einmal mehr eine gesamtindianische Solidarität und trugen zum Scheitern der Bewegung bei. Überhaupt sind für die Kolonialzeit keine nennenswerten Selbstständigkeitsbewegungen zu verzeichnen. Durch ihren ausgleichenden Kurs konnten die spanischen und die portugiesischen Könige die Loyalität der indianischen Bevölkerung gewinnen, einen grundlegenden Gegensatz — der eher für Nordamerika typisch war — verhindern. Augenfällig wurde dies, als die Unabhängigkeitsbewegung ab 1808 begann und sich die Indios vielerorts auf die Seite des spanischen Monarchen stellten.Dr. Peer SchmidtAugustin, Siegfried: Die Geschichte der Indianer. Von Pocahontas bis Geronimo, 1600-1900. München 1995.Fischer-Weltgeschichte, Band 22: Süd- und Mittelamerika, Teil 1: Konetzke, Richard: Die Indianerkulturen Altamerikas und die spanisch-portugiesische Kolonialherrschaft. Frankfurt am Main 1995.Dürr, Eveline: Der Aufstand der Tzeltal (1712-1713 ). Analyse einer Revitalisationsbewegung im kolonialen Mesoamerika. Münster u. a. 1991.Farb, Peter: Die Indianer. Entwicklung und Vernichtung eines Volkes. Aus dem Amerikanischen. München 51993.Die Indianer. Kulturen und Geschichte, Band 1: Lindig, Wolfgang: Nordamerika. München 61994.Die Indianer. Kulturen und Geschichte, Band 2: Münzel, Mark: Mittel- und Südamerika. München 51992.Indianer. Wie die Ureinwohner Nordamerikas wirklich lebten - von den Pueblovölkern im Südwesten bis zu den Jägern des Nordens. Text von David Murdoch. Fotos von Lynton Gardiner. Aus dem Amerikanischen. Hildesheim 21996.Indianer-Lexikon. Zur Geschichte und Gegenwart der Ureinwohner Nordamerikas, herausgegeben von Ulrich van der Heyden. Beiträge von Anett Brauer u. a. Berlin 1992.Iten, Oswald: Keine Gnade für die Indianer. Überlebenskampf von Alaska bis Bolivien. Frankfurt am Main u. a. 1992.
Universal-Lexikon. 2012.